Einem mehr als herausfordernden Schuljahr ein Krönchen aufsetzen für die „Schöne Erinnerungen“-Kiste. Mit diesem Plan und jeder Menge buntem Kreppband, Filzstiften und einem „Igelschatz“ im Kofferraum zog es mich ins ländlichste Altenburger Land. Mission: Schnitzeljagd!

Was war ich froh, als der Begriff „Wandertag“ in der fünften Klasse umdefiniert wurde. Kein stundenlanges durch die Walachei des Sauerlandes stapfen mehr, wie ich, das Westkind, es aus Grundschulzeiten gewohnt war. Stattdessen RE nach LE und shoppen in den großen Stadt oder Besuch im Spaßbad / Vergnügungspark / Kino / Bowling. Mega!

Schnitzel jagen ist wie wandern, nur lustig

Mal ehrlich, man muss doch erst erwachsen werden, um schlichtem Spazieren gehen und purer Landschaft etwas abgewinnen zu können, oder? 😉 Eben! Einfach nur von A nach B laufen und das über eine gefühlte Distanz von 50 km, ist als Kind nicht nur eine verdammt lange Strecke, sondern sehr schnell sehr langweilig. Als ich von der Wanderung des Sohnemanns samt Klassenkameraden hörte, stand für mich deshalb sofort fest: Diese Route peppen wir auf! Die Truppe lass ich Schnitzel jagen!

An sich keine große Sache, möchte man meinen. Wie schwierig kann es sein, etwas Straße und diverse Feldwege zu markieren, ein paar knifflige Fragen zu verstecken und die Meute gen Ziel zu lotsen..? Das in möglichst unterhaltsam, der richtigen Dosis und lösbar für „Igel“ zwischen sechs und zehn, weil jede Stammgruppe an der Känguru Schule alterstechnisch bunt gemischt daher kommt.

11:10 Uhr Start in Frohnsdorf an der Ecke

Gen „Recyclinghof“ weist das Schild die Hauptstraße in Frohnsdorf hinter. Ein guter Startpunkt für die Jäger des Igelschatzes und ein galgenratentauglicher Begriff für die erste Rätselfrage, die sie mit Leichtigkeit beantworten können sollten. Motiviation und so… Bis gestern wusste ich nicht mal, wo sich dieses hübsche Nest im Landkreis versteckt. Entsprechend ratlos ist mein interne Datenbank angesichts der zu laufenden Route. „Vorne beim Viadukt links“, hat mir die Mama von Benedikt gesagt. Krieg ich hin!

11:30 Uhr Am Viadukt links weg

Das Spektakel, was die Wolkenmacher am Himmel abziehen, ist der Hammer. Dick und bauschig türmen sie sich auf in mehr als „50 Shades of Grey“ gepaart mit jeder Menge Gespriesel. Dabei ist Regen das Letzte, was wir heute gebrauchen können. Der Weg aus Frohnsdorf raus durch’s wunderhübsche Viadukt und das erste Stück links den Feldweg hoch ist präpariert. Wie gut, das mein Polo auf seine alten Tage noch „Off road“-Qualitäten beweist! Mit mehr Zeit und ohne meine Assistentin im Kindersitz auf der Rückbank wäre ich die Strecke entspannt gelaufen. So aber fahren wir, wenn auch im Schneckentempo, denn schon um 13 Uhr wollen die „Igel“ starten.

11:50 Uhr  „Natürliche“ Hinweise

Ein Hochsitz, der gen „Diska“ weist (wobei ich zehn Striche auf den Zettel für „Supermarkt“ mache und die Jäger sich später auf „Niederhain“ einigen, was genauso viele Buchstaben hat ;-), Fragmente alter Gehweg?-Platten, die ich kurzerhand mit Zahlen zu Hüpfkästchen umfunktioniere, die Ästhetik endloser Kartoffelfelder in voller Blüte samt diesem Gefühl, der einzige Mensch auf dem Planeten zu sein – so anstrengend das Ganze bei dem wankelmütigen Wetter ist, so viel Spaß macht es mir auch.

12:00 Uhr Die ländlichste Landstraße im Landkreis

In Buscha biege ich falsch ab, merke meinen Fehler aber fix, weil der Weg einfach zu gut ausgebaut ist. Bei der Proberunde gestern mit Expertin Mama von Benedikt auf dem Beifahrersitz war die Piste viel rumpeliger und unwegsamer 😉 Also zurück. Frage am Rande: Liebe Büsche, was hat es denn mit diesem grandiosen Ortsausgangsschild auf sich, dass am Anfang der ländlichsten Landstraße steht, die mir im Altenburger Land bislang untergekommen ist? Deren „Fahrbahnmarkierung“ finde ich übrigens ausgesprochen innovativ: Stapelweise Holzscheite statt schnöder Leitplanken – sehr nachhaltig und viel hübscher! 😉

12:20 Uhr Tabak wächst nicht nur auf Kuba

Über Stock und Stein rumpeln wir gen Zschernichen, als auf den Feldern links und rechts plötzlich Pflanzen wachsen, die ich so gar nicht zusortieren kann. Ich kann bloß sagen, was es NICHT ist. Aber auf Tabak wäre ich allein nicht gekommen. Der wächst für mich auf Kuba, aber nicht irgendwo im Nirgendwo bei uns. Und das schon so lange, dass dessen Blätter pflücken der Sommerferienjob von Oskar’s Lehrerin war. Damals, in den 1980er Jahren. Ein Herz für die Igel, Slalom-Laufen den Berg hinab und jede Menge Stare, die sich im Schwarm auf die gefallenen Kirschen am Boden stürzen – und plötzlich steh ich in Boderitz. Wieder falsch abgebogen, denn auch wenn viele Wege nach Zschernichen führen, diese Variante wäre auch für die ausdauerndsten Schnitzeljäger zu lang.

12:40 Uhr Ziel / Start

Jetzt aber fix am Dorfimker von Lohma und den Berg hinab nach Zschernichen, die letzten Markierungen und Hinweise verteilt und dann zurück nach Frohnsdorf. Die letzten Meter zum Ziel weiß ein bestimmter Igel eh am allerbesten, da muss ich gar nicht mehr groß was schreiben. Wenn bloß das Wetter hält…

13:00 Uhr Los geht’s!

Pünktlich wie die Freiwillige Feuerwehr von Langenleuba-Niederhain gehe ich monopoly-like über Los und übergebe den begeisterten Igeln ihre Rätselfragen für die Marschroute. Richtig verpackt fetzt wandern nämlich doch – es sei denn, der Wettergott ist ein Spielverderber…

13:20 Uhr Wolkenbruch zum Nachtisch

Mittagspause für die Assistentin und mich. Life-Hack für alle Eltern kleiner Kinder: Falls ihr mal zufällig keinen Hochstuhl dabei habt, das Baby aber trotzdem nicht auf dem Schoß füttern wollt, weil riesen Sauerei und so – der Sitz im Einkaufswagen tut’s auch 😉 Parkt man den Wagen dann noch beim Bäcker, ist das kostenlose Unterhaltungsprogramm für die Kundschaft auch gesichert. Während sich das Mädchen Spaghetti Bolo aus dem Gläschen einverleibt, beglückt ihr Anblick beidseits der Theke. „Och, du bist aber ein Puppi!“, „Du hast aber schöne Augen!“, „Na, meine Gute, schmeckt’s?“ Wir hätten einen Hut aufstellen sollen… Der Weltuntergang vorm Laden entgeht uns komplett bis wir zum Auto wollen. Och neeeeeeee…

13:40 Uhr Fast ins Wasser gefallen

Gerade habe ich die Assistentin trocken gelegt, da trudeln die ersten Igel im Ziel-Hof ein – gefahren und nicht gelaufen. Der Wettergott hat sie in die Flucht geschlagen. Aber zum Glück nicht alle. Der wetterfeste Kern zieht durch und hangelt sich von Hinweis zu Hinweis. Wie schön, denn das über zwei Stunden Vorbereitung komplett ins Wasser fallen, hätte ich sehr schade gefunden.

14:30 Uhr Schatz für alle

Chaka! Die Schatzjäger haben Wind und Wetter getrotzt und kleckern ins Ziel. „Aber einen Schatz haben wir nicht gefunden“, merken sie dezent mufflig an, nur um direkt auf dem ganzen Hof auszuschwärmen, als ich ihnen den letzten Hinweis gebe. Groß ist die Freude über die prall gefüllte Schatztruhe mit Kartenspielen und Süßkram für alle! Schöne Sommerferien!

Ferientipp für Eltern spazier-unwilliger Kinder: Denkt euch doch auch mal eine kleine Schnitzeljagd für eure Mäuse aus. Was, wie gesucht wird und wohin es geht, ist herrlich flexibel und kostet fast nix, außer genügend Zeit und kreative Ideen (wobei Ortskenntnisse ganz klar von Vorteil sind 😉

Auch an diesem Brückengeländer wartete eine Aufgabe. Foto: Maike Steuer
Natürliches Hüpfkästchen, Foto: Maike Steuer
Herz aus Steinen, Foto: Maike Steuer
Besondere Ausblicke gen Niederhain, Foto: Maike Steuer
Skyline mal anders, Foto: Maike Steuer
Ein Herz in der Natur, Foto: Maike Steuer
Zeit für ein kleines Päuschen, Foto: Maike Steuer
Tabakfeld, Foto: Maike Steuer
Die Igel haben den Schatz gefunden, Foto: D. Beutler