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Viele Wege führen nach Altenburg. Manchmal auch zufällig und von weit her – so wie bei Avinesh Kamath. Seit August 2019 wohnt der Maschinenbauingenieur mit seiner Frau Juhi mitten in der Skatstadt und fühlt sich so zu Hause, dass er sie zur Kulisse seines ersten Musikvideos erkor.
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Nein, eine eigene Wanduhr in der Wohnung brauchen Avinesh Kamath und seine Frau Juhi keine. „Ihre“ schmückt die Bartholomäikirche direkt vorm Fenster. „Freunde zu Besuch finden das lustig, wenn wir auf ‚unsere‘ Uhr verweisen“, erzählt der 29-Jährige grinsend. Dieser Blick raus, um die Zeitfrage zu beantworten, sei inzwischen lieb gewonnene Routine geworden. Genauso wie die regelmäßigen Spaziergänge mit Juhi durch die Stadt, rundenweise um den Großen Teich und durch den Schlosspark hin zu ihrer „Lieblingsecke“, der kleinen Mauer mit Schlossblick. „Jedes Mal, wenn wir dort waren, habe ich mir gedacht, der Ort hier wär perfekt, um ein Video zu drehen“, erinnert sich der begeisterte Hobbymusiker.
Altenburg als Videokulisse
Als nun die Krise den Alltag einfror und Kurzarbeit im Unternehmen ihm plötzlich jede Menge Zeit bescherte, wurde aus dem schieren Gedanken ein echtes Projekt. Er schnappte sich seine Gitarre, Stativ und Kamera und legte los. „I’m sitting here in the boring room. It’s just another rainy sunday afternoon..“ Obwohl nur unwesentlich jünger als er selbst, scheinen die ersten Zeilen aus „Lemon Tree“ aktueller denn je in diesen ungewöhnlichen Zeiten. „Es passte einfach…“ Mit Juhi’s Unterstützung filmte, schnitt und polierte er eine Woche an seinem Werk. Natürlich auch im Schlosspark und „seinem“ Kirchturm als Statisten. „Ich wollte zeigen, was ich noch so kann. Gerade jetzt, wo nicht klar ist, wie und ob es für mich beruflich weitergeht“, betont Avi und zum ersten Mal verschwindet das Lächeln aus seinem Gesicht.
Von Mangalore nach Meerane
Dabei ist der studierte Maschinenbauingenieur geübt im neu anfangen. Geleitet von seinem Traum, irgendwann mal in Deutschland, der „Hochburg für Ingenieurskunst“, wie er sagt, zu arbeiten, ließ er sich im Mai 2017 nur allzu gerne von einer indischen Agentur vermitteln. Als On-Site Manager. Nach Meerane. Mee.. was? „Ich musste erstmal googeln, wo das ist. Zuerst war ich in Augsburg, dem Hauptsitz des Unternehmens und dachte, es wird in Meerane wohl so ähnlich sein“, erinnert er sich lachend. Fast! Bloß viel, viel kleiner und ruhiger. Den fehlenden Klangteppich ersetzten Radio oder Fernseher im Dauerbetrieb. Der Job gefiel – und fand nach zwei Jahren trotzdem ein jähes Ende ob der Insolvenz seines deutschen Arbeitgebers. Gut vernetzt und offen für Veränderungen fand er rasch eine neue Stelle in Zwickau – und zog nach Altenburg. „Meine Frau hatte gerade angefangen, Management an der Uni Leipzig zu studieren. Da haben wir einfach auf der Karte geschaut, welche größere Stadt irgendwo mittendrin zwischen Zwickau und Leipzig liegt“, erklärt Avi den ungewöhnlichen Schachzug. „Es war ein glücklicher Zufall, der uns hergeführt hat.“
Ein sehr kleines Dorf
Schon bei ihrer ersten Erkundungsfahrt durch Altenburg beeindruckten sie die vielen alten Gebäude und der Charme des – aus indischer Perspektive betrachtet – sehr kleinen Dorfs. „Selbst meine Heimatstadt Mangalore mit fast einer halben Millionen Einwohnern gilt in Indien als klein“, relativiert Avi lachend. Aber in Altenburg sei nicht zu viel und nicht zu wenig Verkehr. „Es ist genau richtig für uns. Ich hoffe sehr, dass es so bleiben kann.“ Denn gerade als die Probezeit in Zwickau überstanden und als nächstes Aufatmen dran gewesen wäre, stellte Corona und die damit verbundene Kurzarbeit alles in Frage. „Ich habe keine Ahnung, wann und ob sich alles wieder normalisiert, aber Ende Juli läuft mein Visum aus.“ Das nur verlängert wird, wenn eine berufliche Perspektive existiert und im Zweifel bedeutet, das sie wegziehen oder gar Deutschland verlassen müssen. „Juhi’s Studium dauert eigentlich noch anderthalb Jahre. Aber ihr Visum hängt von meinem ab.“
Highlight: Autobahn!
Zum Glück liebt er nicht nur „Linseneintopf mit Wiener“, den er mindestens alle zwei Wochen kocht, sondern auch Herausforderungen und diese bestmöglich zu meistern. Bereits fünfsprachig unterwegs, machte er sich mit Feuereifer die deutsche Sprache zu eigen, „weil mir Sprachen eigentlich leicht fallen und ich gehört hatte, dass Deutsch schwer zu lernen ist.“ Er schaffte letzten Sommer im ersten Anlauf die Führerscheinprüfung inklusive Theorieteil auf deutsch statt englisch – und fuhr direkt bis Frankfurt am Main, um am Flughafen seine Eltern abzuholen. „Diese erste Fahrt auf der Autobahn war eines meiner absoluten Highlights bisher in Deutschland“, schwärmt der Ingenieur. Auf das noch viele weitere folgen können, weil das „Happy End“ im Job hinter der nächsten Ecke wartet.
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