Seit Mai 2020 hat Modelwitz eine Bewohnerin mehr: Malerin Judith Kohler. Geht es nach der Künstlerin, wächst die Einwohnerschar des Dörfchens schon bald noch weiter, denn sie sucht für ihren Hof kreative Mitbewohner mit Bock auf selbermachen.
Nein, eine herkömmliche Klingel braucht Judith Kohler auf ihrem Hof in Modelwitz wirklich nicht. Diesen „Job“ meistert ihr fünfköpfiges Hunderudel mit Bravour. Allen voran Mischlingshündin Puppy, die jeden Besucher mit Freudengeheul begrüßt. Endlich jemand, der sie streichelt. Dicht dahinter, der Rest der Truppe: Die Hundebrüder und Terriermischlinge Teddy und Panda, Windhundmix Snow und Windhündin + x Sky. Die fünf Pferde und „Gast-Esel“ Heidi juckt der ganze Bohei kein bisschen. In Kuscheldichte stehen sie beieinander in ihrem Unterstand und fressen eine Ladung Heu. Und mittendrin Judith Kohler.
47 ist sie seit ein paar Tagen. Ihr erster Geburtstag an dem Ort, an den sie der Zufall führte. Von Irland. Als Blind Date, denn „dank Lockdown saß ich in Irland fest und hab mich beim Kauf allein auf Fotos und die Infos vom Makler verlassen.“ Völlig irre? Nicht für die als Judith Ostermeyer geborene (Lebens)künstlerin.
Werke von JO
Ein Mal gemalte Liebe in Irland
Rückblick: Schon als Kind schlägt Judiths Herz für’s Malen und Pferde bzw. Tiere generell. Nach der Schule studiert sie Kunst in Leipzig, wird Meisterschülerin von Arno Rink und ebnet sich durch den Verkauf ihrer großformatigen Ölgemälde den Weg zum ersten, eigenen Hof in Dreiskau-Muckern. Sie erschafft, baut als nächstes die alte Schule im Ort um und in einem weiteren Gebäude eine Art „Pferdepension“ auf.
Die Liebe findet sie 2009 auf malerische Weise und führt sie nur ein Jahr später in die Heimat ihres dann Mannes nach Irland. Ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Gemeinsam bauen sie einen Hof aus, schaffen Wohnraum für eine Art internationale WG – und eine Auffangstation für Tiere in Not. Wovon es zu Judiths Leidwesen viel zu viele gibt. Sie rettet, adoptiert, vermittelt – und wird zudem zur wichtigsten Stütze ihres inzwischen an Krebs erkrankten Mannes. 2016 muss sie sich für immer von ihm verabschieden. Der Insel bleibt sie treu. Zunächst. Doch die Pinsel ruhen nun. Sie pendelt zwischen Pferdesommern in Dreiskau-Muckern und irischen Wintern – bis der Wunsch nach einem erneuten Neuanfang mit wieder malen an einem inspirierenden Ort die Oberhand gewinnt. Mit all ihren „irischen“ Tieren im Schlepptau.
Mitgestaltende Bewohner gesucht
„Ich wünsch mir Mieter, die Willens sind, diesen Hof als ihr eigenes Projekt mitzugestalten. Menschen, die ihr eigenes Ding machen, sich aber auch in die Gemeinschaft einbringen wollen“, erzählt die Neu-Modelwitzerin, wären wir treppauf in den ersten Stock des Wohnhauses stapfen. Für ein bisschen hübsch hat sie die betagten Tapetenwände mit einigen ihrer Werke geschmückt. Ein Mal 80 Quadratmeter für eine kleine Familie und zwei Mal kleiner wollen wieder mit Leben gefüllt werden. Dazu ein riesiger Dachboden als Selbstausbauerparadies. „Wichtig wär mir, dass die Leute tierfreundlich sind, mobil und handwerklich begeistert.“ So wie sie.
Lebe lieber ungewöhnlich
Schritt für Schritt hat sie das Erdgeschoss des alten Fachwerkhauses in den vergangenen Monaten bewohnbarer gemacht. Dank der Unterstützung ihrer Nachbarn und einem hilfsbereiten Klempner sitzt sie nun im Warmen. Hat ein Badezimmer mit Mosaikwänden und intensiv blauen Wänden geschaffen, dessen Stromkasten nun farbenfrohe Fische bevölkern, den Boden der Bohlenstube selbst verlegt, Regale gezimmert und eine Küche geschaffen, die genauso zum Stillleben taugt, wie der Eingangsbereich. Dort nächtigt das Rudel im eisernen Doppelbett, bewacht von eigener Kunst, kunstvollem Handwerk aus aller Welt und zahlreichen ausgestopften Spezies. Tote Tiere an Wänden? Kein Widerspruch für die Tierfreundin: „Vieles sind Flohmarktfunde und einige aus der Zeit, als ich mit meinem Mann viel gereist und gejagt habe. Die nutze ich auch für meine Malkurse, denn die halten immer ruhig
Modelwitz für immer
Richtig ankommen, Wurzeln schlagen und Gemeinschaft kreieren, das wünscht sich Judith für sich und „Hof Nummer fünf“, den sie „für immer“ gedacht hat. Auch, was sich im Nebengebäude, dem einstigen Pferdestall, in Zukunft zutragen soll, hat sie bereits bildlich vor Augen. „Hier kommt die Bühne hin“, sagt sie so bestimmt, als fehlten nur noch die Bretter, die die Welt bedeuten, anstatt des gesamten Innenlebens. Ein Gemeinschaftsraum, künstlerische Werkstätten und Ateliers sieht sie ebenfalls entstehen. Für Auszeit suchende Künstler, Kreative aus nah und fern, Bleibende. „Das ist eigentlich ein großer Abenteuerspielplatz hier in einer wunderschönen Gegend“, merkt sie mit einem Grinsen an. „Eine Sauna würde ich auch gern bauen.“Zukunftsmusik, die die nächsten Tage jedoch nicht läuft, denn „Diese Woche male ich wieder. Ich muss mich wieder dran gewöhnen und das Pensum langsam steigern, wie beim Leistungssport. Denn eigentlich habe ich nie was anderes gemacht, als mein Leben zu illustrieren.“