Dieses leidige Hamsterrad namens Alltag… Jeder kennt es, viele legen darin einen Marathon zurück – und schaffen den Ausstieg trotzdem nicht. Auch Paul Stumpp „rannte“ lange Zeit durch ein Leben, das so gar nicht zu ihm passen wollte. Bis zum Zusammenbruch und – zum Glück – einem Neuanfang.
Wer mit Paul Stumpp in der Altenburger Innenstadt unterwegs ist, merkt schnell: Der 34-Jährige gehört zur Kategorie „Bunter Hund“. Ein „Hallo, wie geht’s?“ hier, ein schneller Gruß dort. Eine fixe Umarmung eines Bekannten und schnellen Schrittes weiter gen Markt 26. Die Treppen hinauf in den ersten Stock erstreckt sich über die gesamte erste Etage die neue Wirkungsstätte des Business-Mentors und seiner Mitstreiter.
Der Anfang ist gemacht
Noch sind die hellen und modern sanierten Räume spärlich möbliert, wird in den kommenden Wochen und Monaten noch einiges mehr an Technik und Equipment einziehen. Doch der Anfang ist gemacht – und der Blick hinaus auf dem Markplatz vis à vis zum Rathaus sehr nachteilig für konzentriertes Arbeiten weil grandios. „Mega, oder? Ich dachte einfach, Marketing direkt aufm Markt macht Sinn“, kommentiert Paul die Postkartenaussicht mit einem Grinsen und lässt sich auf einem der beiden Stühle nieder. Hübsch gruppiert um einen kleinen Tisch, dazu ein passendes Regal mit Deko als schmückender Hintergrund – fertig ist das Setting für sein neu eröffnetes Podcast-Studio. „Am ersten Septemberwochenende haben wir die ersten Podcast-Folgen aufgenommen. Das war ziemlich aufregend, weil ich zum ersten Mal allein dafür verantwortlich war, dass alles reibungslos läuft“, schwärmt er mit leuchtenden Augen und liefert die Erklärung für den Namen seines Podcasts in persona. Lebenswacher geht nicht.
Blick hinter die Kulissen
Umso schwieriger fällt die Vorstellung eines sieben Jahre jüngeren Pauls, dem selbst das Aufstehen zu viel erschien. Der weder einen Plan hatte von dem, was er will, noch was eigentlich so falsch gelaufen ist, dass es ihm plötzlich so schlecht ging. Wobei dieses „plötzlich“ sich rückblickend viel länger ankündigte, als er selbst wahrhaben wollte. Nach seiner Ausbildung zum Kaufmann für Spedition- und Logistikdienstleistungen arbeitete er als Disponent für ein regionales Busunternehmen. Ständig unter Strom zwar, wie er sagt, aber hey, auch sicher, gut bezahlt und von außen betrachtet richtig super. „Die Arbeit hat mich extrem gestresst. Ich konnte irgendwann nicht mehr abschalten, machte aber trotzdem weiter“, erinnert er sich. Bis eine heftige Panikattacke ihn kalt erwischte. „Ich kam überhaupt nicht mehr klar und wusste nicht, was los ist“, so Paul. Seine Ärztin hingegen schon. Sie zog ihn aus dem Verkehr und schrieb ihn direkt krank. Für drei Monate.
Wenn ich Zeit und Geld hätte…
Plötzlich besaß er genug von dem, wovon viele Menschen behaupten, dass sie dann machen würden, was sie wirklich wollten: Zeit und Geld. „Aber was genau das dann ist, können dir die Meisten nicht beantworten. Ich wusste es auch nicht“, gibt Paul offen zu. Er fiel in ein Loch, haderte und drehte sich im Kreis, ohne einen Ausweg zu sehen. Er suchte sich therapeutische Unterstützung und bekam die Hausaufgabe, eine ehrliche Runde „Was wäre wenn“ mit seinem Leben zu spielen und alle möglichen Optionen, aus seiner Misere rauszukommen, aufzuschreiben. Der erste Aha-Moment ließ nicht lange auf sich warten: „In meinem Job bleiben? Fällt aus, dachte ich sofort“, erinnert sich Paul schmunzelnd.
Zusätzlich widmete er sich intensiv dem Thema, das er schon nach dem Abi am liebsten studiert hätte, aber mangels passendem Notenschnitt nicht konnte: Psychologie. So formte sich nach und nach ein neuer Plan, eine ferne Vorstellung seiner Zukunft, die ganze vier Jahre gären musste bis zur Realität.
„ALs ich Aufgeschrieben hab: Ich Bin Podcaster und interviewe spannende Unternehmer-
Paul Stumpp
Persönlichkeiten, Da war da noch GoR nüScht! Jetzt bin ich Es Tatsächlich!“
Parallel zur Selbstinventur sammelte er festangestellt erst als Außendienstmitarbeiter und dann im Marketing eines Mittelständlers Erfahrungen und destillierte nach Feierabend heraus, was ihm jeweils gefiel bzw. was ihm fehlte. Eigene Ideen verwirklichen gesellte sich so zu unabhängig zu sein zum Beispiel. Selbstbestimmt arbeiten zu können zu „etwas bewirken“ und ganz wichtig: Die Freiheit zu haben, jeden Tag selbst zu gestalten und mit Arbeit zu füllen, die sich bestenfalls gar nicht wie welche anfühlt. Klingt für viele ziemlich utopisch, doch Paul hielt dran fest.
Visionen für alle sicht- und hörbar machen
Die Erfahrungen aus seiner „lebensmüden“ Zeit bilden inzwischen die Grundlage seines Unternehmens Lebenswach Media, das er zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Barbara Hofmeister vor kurzem gründete. Ihre gemeinsame Vision: Jene von gestandenen Unternehmen genauso wie Neu-Gründern in Ton wie Bewegtbild sichtbar und vor allem für alle verständlich zu machen. Oder aber gemeinsam mit ihnen das „Warum?“, das große Ziel zu entwickeln. Das Büro mitten in der Stadt dient dabei im wahrsten Sinne als Türöffner. „Uns ist bewusst, dass Visionsentwicklung für viele nicht greifbarer Hokuspokus ist. Wer mehr erfahren will oder Fragen hat, kann jetzt einfach hinkommen und klingeln“, so Paul.
Der überzeugte Altenburger wünscht sich für seine Stadt mehr Menschen mit Ideen und dem Mut, dem Gründen eine Chance zu geben. Doch viele schrecke die Selbständigkeit ab, von wegen selbst und ständig, merkt er an. „Dabei ist es viel schöner, wenn man das Ganze rumdreht. Ich mache meine eigenes Ding und darf ständig ich selbst sein.“ Sagts und sieht dabei ziemlich glücklich aus.