Ausschließlich gute Nachrichten

Altenburg: Live und in Farbe Teil II

Während Hendrik am laufenden Band Künstler mit seiner Kamera einfängt, lächeln Susann und ich in die vom MDR. Was wir denn hier machen und wozu das Ganze?, will der Fernsehmann wissen. Für uns eine klare Sache! Denn so „einfach“ Kopf in den Sand stecken manchmal scheint oder spontan in Winterschlaf fallen verlockt, wir machen lieber und nehmen die Krise als kreative Herausforderung. Dass da immer noch Raum für Kunst und Kultur ist, wenn auch viel kleiner als ohne C. haben wir am Donnertag „Live und in Farbe“ gesehen. 🙂

Teil 1: Von Anfang an bis Lothar Ross
Teil 2: Von Katerina Vlasova bis Manuel, Marek & Ekki
Teil 3 am Mo, 23.11.: Was bleibt: Frisch gesprühtes und ein Kulturliebhaberbeutel

Katerina Vlasova, 34, Tänzerin

Diese Energie! Kraftvoll und bestimmt gehört die Bühne von der ersten Sekunde ihrer 15 Minuten ihr.  Ihre Ausbildung zur Tänzerin brachte die gebürtige Ukrainerin von der Staatsoper in Dnepropetrovsk erst an die Hochschule für Musik und Tanz nach Köln und die Liebe schließlich vor fünf Jahren nach Altenburg. Der Zufall wiederum schuf eine Lücke im eng getakteten Zeitplan von „Live und in Farbe“ und gab Raum für ihr spontanes Solo. „Die Aktion fand ich toll. Ich war ganz leicht und beseelt danach“, schwärmt Katerina. „Es müsste viel öfter etwas geben, wo die Künstler spontan etwas machen. Das hat etwas sehr Befreiendes. Die auftrittslose Zeit nutzt die Tänzerin, um einen ganz besonderen kleinen Mann kennenzulernen: Ihren sieben Wochen alten Sohn! Der Wunsch, bald wieder Livekunst erleben zu können, ist trotzdem groß: Theater ist eine Art Heimat für mich und so fühle ich mich grad sehr heimatlos.“

Thomas Suchomel, Künstler

Rot, blau, gelb, grün. Künster Thomas Suchomel spachtelt die gesamte Farbpalette zackig, knackig an die großen Leinwände. Musik dröhnt aus den Boxen, fragt nach dem eigenen Sein und Selbstverständnis, während auf der Bühne eine faszinierende Performance in einer Viertelstunde ein Kunstwerk hervorbringt. Dabei hätte alles anders kommen können, wie der Altenburger grinsend anmerkt: „Ich hatte ungefähr fünf verschiedenen Versionen, was ich mit der Zeit mache. Deswegen war ich heute früh schon hier, um mir erstmal alles anzugucken und zu entscheiden.“

Auch wenn seine Kunst eigentlich ohne Bühne auskommt und Corona sein Wirken als professioneller Maler kaum tangiert, nutzt er die allgegenwärtige Kulturkrise für Neues. „Am 8. Dezember eröffne ich zusammen mit fünf anderen Künstlern eine Produzenten-Galerie in der Jüdengasse. Schaun wir mal, wie es anläuft!“ Derweil überraschte ihn „Live und in Farbe“ positiv: „Meine Erwartungen waren gering. Jetzt ist die Freude über das Erlebte umso größer!“

Sisters in Action, Chor

Wie gut, dass sie vor fast 20 Jahren aus dem Schulchor flog und aus Trotz ihr eigenes Ding machte, denn es war die Geburtsstunde der „Sisters in Action“ aus Meerane. In Eigenregie und viel Enthusiasmus legte sich „Oberschwester“ Franziska Wagner das nötige Rüstzeug zu, um inzwischen 20 Frauen zwischen Mitte 20 und Mitte 40 gemeinsam gut klingen zu lassen. Als Trio in Minimalbesetzung rockte sie mit Stefanie Schulze und Christina Kirchner die „Live und in Farbe“-Bühne. Kein Vergleich zu den Stadtfesten, Firmenfeiern oder Familienfeste, die sie normalerweise mit ihrem Mix aus Rock- und Popsongs im gospeligen Gewand bespielen. Aber: „Es war trotzdem geil, hier mitzumachen und endlich mal wieder zusammen zu singen“, schwärmt das Trio unisono. Singen sei Leidenschaft, Ausgleich, pure Freude. Besonders das Miteinander fehle, so Franziska. „Wir vermissen uns alle sehr!“

Marionettentheater Dombrowsky, Künstler

Sie wiegen sich zu Walzerklängen, buhlen um die hübsche Prinzessin, sind stinkig und haben keinen Bock mehr, den ganzen Tag nur rumzuhängen. Man merkt, die „Mitarbeiter“ von Uwe und Evelyn Dombrowsky vom Komödiantenhof in Engertsdorf haben lange kein Rampenlicht gesehen und machen ihrem Unmut darüber auf charmante Weise Luft. „Es klingelt fast täglich das Telefon, aber nur um abzusagen“, merkt Uwe Dombrowsky schulterzuckend an. „Im Moment können wir gar nichts machen. Umso schöner war es heute, für einen Moment wieder ‚richtig‘ zu spielen.“ Im Frühjahr sei die Situation anders gewesen, neu. Weil der Vorhang sich nicht heben durfte, kreierten sie kurzerhand eine Ausstellung zum „Dahinter“ und der langen Familientradition ihres Marionettentheaters.

Angelika Lange, Künstlerin

Angelika Lange, Künstler
Angelika Lange, Künstlerin, Foto: Maike Steuer

„Eigentlich“ ist auch bei Angelika Lange unter den Top 5 Wörtern des Jahres. Eigentlich stünde die Premiere des alljährlichen Weihnachtsmusicals bald vor der Tür. Eigentlich wären ihre Wochen gefüllt mit Kursen als Tanz- und Fitnesstrainerin oder den Trainings ihrer Showtanzgruppe „Energy Diamonds“ – die eigentlich 2020 allen Grund zum Feiern gehabt hätten. Stattdessen: Ein großes Nichts, das die Künstlerin „Live und in Farbe“ vertanzt. Von der quirligen Waldelfe zum traurigen Wesen mit gestutzten Flügeln, das sich durch Naturfotografie „die Existenz wahrt“, wie sie erzählt. „Es macht mich traurig, dass grad nichts geht. Du siehst irgendwie den Boden unter den Füßen weggleiten. Du versuchst alles, aber es finden sich keine wirklichen Lösungen“, beschreibt sie ihre aktuelle Situation. Dabei sei sie eigentlich ein Anlaufpunkt. Jemand, der die Nähe, den Sport und den Tanz zum Leben brauche. „Wir sind bei den ‚Diamonds eine große Familie mit fast 70 Mitglieder. So schön es war, hier heute aufzutreten. Allein war’s blöd, denn die Gemeinschaft fehlt!“

Julian Nort, 33, Physical Comedian

Julian Nort, Physical Comedian, Foto: Maike Steuer
Julian Nort, Physical Comedian, Foto: Maike Steuer

Julian Nort hat Fieber, Lampenfieber – und freut sich drüber. „Das muss so“, merkt der gebürtige Kanadier an. Ein bisschen Gesichtsgymnastik, ein paar Lockerungsübungen, dann ist die Bühne seine. Ausgebildet an der Clownschule in Mainz „funktioniert“ seine Show ohne Publikum in etwa wie ein Auto, das man schieben muss. „Es heißt nicht ohne Grund, der Künstler lebt vom Applaus“, sinniert der Mime. Er habe schon immer eine blühende Fantasie gehabt und den Klassenkasper in der Schule gegeben. „Fffft, schrrrr, fupp, wwwwww“, begleiten seinen Auftritt. Seine Hand wird zum Schlangenkopf, ein „Lufthund“ kläfft ihn an. Das Lachen der zuschauenden Kinder oben vor der Tourinfo ist Musik in seinen Ohren. Froh darüber, als Schlagzeuglehrer nach wie vor online unterrichten zu können, erweckt der Wunsch nach der „echten“ Bühne eine tiefe Sehnsucht in ihm. „Ich ziehe Kraft daraus, mich mit meinen 30 Schülerinnen und Schülern digital austauschen zu können. Es hält mich über Wasser, aber es ist nicht das gleiche, wie richtig Schwimmen.“
Umso mehr genießt der Wahl-Leipziger sein kurzes Gastspiel in der Skatstadt: „Voll gut, das es diese Möglichkeit heute gibt, ohne viel Druck eine Plattform zu bieten und – wenn auch unter Auflagen – meine Kultur zu betreiben. Kultur kann es nicht nicht geben!“ 

Robert Herrmann, 40, Musiker

Auch ein Platten an seinem Volvo kann Robert Herrmann nicht von seinem Auftritt bei „Live und in Farbe“ abhalten.  Denn endlich wieder spielen zu können, ist auch dem Jazz-Pianisten ein Grundbedürfnis. „Ich hatte mich selbst beim MDR beworben, wurde nicht genommen und dann kamt ihr“, freut er sich über seine 15 Minuten Rampenlicht auf dem Altenburger Markt. „Der Mensch drückt sich aus in Kunst und Kultur. Alle wichtigen Fragen des Lebens finden Antworten in der Kultur.“ In jedem räsoniere Musik anders, biete Halt und etwas Seelenhaftes.

Nicht auftreten zu dürfen, ist für den Dozenten der Dresdner Palucca Hochschule doppelt schwierig, denn seine Kunst speist eigentlich seinen Kulturhof in Kleinmecka, „Ich nutze die Zeit, um mehr auf dem Hof zu machen, aber ohne Konzerte fehlt das Geld zum Bauen“, schildert er den Zwist. „Freie Sendezeit für Freie Künstler“ ist für ihn nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wir sind grad fett im Schatten, weil die Dinge sind wie sie sind. Deshalb sollte es generell mehr Sendezeit für Dinge, die live grad keinen Platz haben, geben, um das zumindest ein bisschen auffangen.“

Colours of Soul, Gospelchor

Gewohnt, mit bis zu 50 Gleichgesinnten eine Stimmgewalt zu erzeugen, die jeden Zuschauer bis in die kleine Zehe berührt, war es für Rebecca Klukas und ihre vier Mitsängerinnen eine ziemlich ungewohnte Situation. Doch nach einem fast auftrittsfreien 2020 ließ es sich auch der Gospelchor „Colours of Soul“ nicht nehmen, in Minimalbesetzung bei „Live und in Farbe“ dabei zu sein. Endlich wieder zusammen singen, Bühnenluft atmen und die besondere Magie erleben, die nur Musik kreieren kann, tat richtig gut. „I smile. Even though I’m hurt, see I smile!“, schallte es so passend über den Markt. Lächeln in der Krise, den Blick gen Himmel statt zum Boden. „Wir widmen diese Auftritt all denen, die gerade zweifeln. Die hart getroffen sind und nicht wissen, wie und wann es weitergehen kann“, betonte Rebecca. So wahr… Seit zwei Jahren bin ich eine der „Alten“ im Chor und vermisse wie wir alle die montäglichen Proben, die vielen Konzerte in den Kirchen und Ecken weit über den Landkreis hinaus. Auch wenn wir alle keine Profis sind und singen „nur“ ein Hobby für uns ist: Ohne ist es viel zu still und den Montagabenden mangelt es an gemeinschaftlichem Geschnatter und Gelächter. „Oh happy day“, wenn es endlich weitergehen kann…

Manuel Schmid, Marek Arnold & Ekki Dreßler, Musiker

Manuel Schmid, Marek Arnold und Ekki Dreßler, Foto: Maike Steuer
Manuel Schmid, Marek Arnold und Ekki Dreßler, Foto: Maike Steuer

Wortwörtlich „fanTastisch“ beschlossen die drei Vollblutmusiker fast acht Stunden Bühnenprogramm. Wer sich immer schon gefragt hat, wieso ein Klavier so viele Tasten hat – damit man es vierhändig spielen und den Altenburger Markt in einen „Raum der Illusion“ verwandeln kann. Der Text aktueller denn je. „Ich weiß nicht mehr, wohin die Reise geht“, singt Manuel.  Statt ständig „on Tour“ in ganz Deutschland mit ihren diversen Projekten, ein von Absagen geprägtes Jahr, das der Spielfreude des Trios jedoch nichts anhaben konnte. Manuel und Marek’s „Tanz“ ums Mikrofon, um alle vier Hände immer an richtiger Stelle auf der Tastatur platzieren zu können, machte einfach Spaß zuzusehen. im Falle von Manuel das neue Album „Freiheit ist“ mit „seiner“ Band „Stern Meißen“.

Ron Anger, Künstler

Als der letzte Ton auf der Bühne schon verklungen und der Markt schon im Dunkeln liegt, setzt Maler und Bildhauer Ron Anger last but not least den leuchtenden Schlusspunkt unter ein durch und durch vielfältiges Programm. Mit speziell nachleuchtenden Farben verleiht er seinen Werken das gewisse Etwas. An seiner Seite und schon in vorweihnachtlichem Look: Rentier „Rene“, das so guckt, wie wir knapp 30 Mitmacher uns alle am Ende eines langen, intensiven Tages fühlen: Glücklich, aber echt durch! 😉

Teil 3 am Mo, 23.11.: Was bleibt: Frisch gesprühtes und ein Kulturliebhaberbeutel
Teil 1 nachlesen

Sendezeit!

Am Montag um 23:10 Uhr sind unsere dollen fünf Minuten im MDR zu sehen. Wem vor Ausstrahlung die Augen zufallen – in der ARD Mediathek findet ihr den Mini-Film von Hendrik Sadowski bis Mitte Februar.

Wir sind „Live und in Farbe“:

Idee:
Susann Seifert, Erlebe was geht gGmbH
Maike Steuer, Altenburger Landleben

Organisation:
Susann Seifert, Erlebe was geht gGmbH
Maike Steuer, Altenburger Landleben
Susanne Stützner / Heike Schramm, Stadt Altenburg
Constance Böhme

Film:
Hendrik Sadowski, ALUMATEL Video- und Filmproduktion
Silvio Schmidt / Jessica Paeschke

Ton:
Anton Eßwein, Wo lang? UG

Bühne:
Thomas Groschopp, Licht-, Ton- und Veranstaltungstechnik

Redaktionelle Begleitung: Maike Steuer, Altenburger Landleben

Graffitiaktion:
Ralf Hecht, Farbküche
Robin Jahn, Farbküche

Catering:
Sarah-Ann, Gabi Orymek,
Mobiles Spielecafé

Dokumentation: Jens Paul Taubert
Maike Steuer
Susann Seifert
Ralf Hecht

Kulturliebhaberbeutel:
Susann Seifert
Maike Steuer
Constance Böhme

Kulturfonds: Kulturstammtisch Altenburg

Beratung zu Corona-Hilfen: Tino Scharschmidt, Wirtschaftsförderung

Weitere Mitwirkende:
Frank Kleinwächter, Farbküche
Yvonne Ammer, Schnitt und Schnittchen
Rico Scheffler
Lindenau-Museum

Künstler*innen Dive In – Acoustic Duo, Musiker
Eileen Mätzold, Literatin
Franziska und Reinhard Haucke, Musiker
Andreas Hinkel, Künstler
Anja Losse, Tanzpädagogin
Lothar Ross, Zauberer
Katerina Vlasova, Tänzerin
Thomas Suchomel, Künstler
Sisters in Action, Chor
Marionettentheater Dombrowsky
Angelika Lange, Künstlerin
Julian Nort, Physical Comedian
Robert Herrmann, Musiker
Colours of Soul, Gospelchor
Manuel Schmid, Marek Arnold, Ekki Dreßler, Musiker
Ron Anger, Künstler

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2 Kommentare

    • Danke für die Blumen! Alle Künstler habe ich – sofern möglich – verlinkt. Ansonsten schreib uns gern und wir stellen den Kontakt zum Wunschkünstler her. 🙂

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